not on the map

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Country von Phonoroid / Clandestine / Intuition Im Laden seit 20.9.1999

Userwertung: 24% klasse 26% gut 26% naja 24% schlecht

WILDWEST AUS GERMANY

Wenn ich mal wieder von all dem Elektro-Gezirpe, den wummernden House-Beats und den ratternden Drum’n Bass Stakkatos eine Auszeit nehmen muß, setze ich die Sonnenbrille auf und mich in meinen klapprigen 68er Cadillac, begebe mich auf den Highway Richtung Mountains und nehme außer einer deftigen Brotzeit auch und vor allem die neueste Scheibe der Gruppe PHONOROID mit. Denn ich habe vor, weider mal mein persönliches Road-Movie abzuspulen. Die Musik dazu liefern diesmal Vanessa Vassar und Axel Heilhecker, zusammen mit Harald Großkopf das Trio PHONOROID.

Zwar braucht es ein bißchen Fantasie, die von PHONOROID gelieferte Atmosphäre – nämlich amerikanisches Country-Folk-Feeling irgendwo im texanisch-mexikanischen Grenzgebiet – auf das bayerische Voralpenland zu übertragen, aber die herrlich leichten und verträumten Songs geben einem Inspiration ohne Ende. Und so rollern wir vorbei an gutbürgerlichen Gastwirtschaften, die zu mexikanischen Bodegas mutieren, vorbei an Honda- und Yamaha-Werkstätten, die zu Harley-Repairshops werden, aus dem braun-weißen Fleckvieh am Wegesrand werden Gürteltiere, die Bauernbuam haben auf einmal alle Cowboyhüte auf, der Straßenbauarbeiter hat eine typische Clint Eastwood-Fresse und eine Horde trampelnder Gebirgsschützen ist aus ihrem Reservat ausgebüchst und schwingt unter Heja-Rufen das Tomahawk.

PHONOROIDs superbe Songperlen malen tatsächlich ein detailgetreues Abbild der staubtrockenen Kulturregion zwischen dem Rio Grande und dem Red River. Diese Liebe zum Detail stammt vor allem von Vanessa Vassar, der gebürtigen Texanerin. Mit ihrer spröden Jungmädchenstimme, die irgendwo zwischen Michelle Shocked und Björk anzusiedeln ist, zaubert sie eine Stimmung des wilden Westens, wie sie authentischer nicht sein kann. Dazu die knochentrockene Gitarrenarbeit von Axel Heilhecker, mit viel Slide- und Surfgitarre und sporadischen Neil-Young-Noise-Attacken.

„Not On The Map“ ist eine umwerfend gute und wahnsinnig interessante Country-Rock-Platte, weitab vom platten Nashville Image, mit großartigen Songs und perfekten Stimmungsbildern. Und gegen Ende meines Ausritts gab’s dann noch einen Platten: Ich hatte einen Riesen-Kaktus umgenagelt.

Rezension von Klaus Halama